Patientenverfügungen bei Schlaganfall


Interesse an Vorsorge

Wie eine kürzlich veröffentliche deutsche Untersuchung[1] zeigt, haben Patienten mit einem klar erkennbar erhöhten Schlaganfallrisiko ein hohes Interesse an Vorsorgeinstrumenten wie Patientenverfügungen (PV) und Vorsorgevollmachten (VV). Dennoch haben weniger als die Hälfte der Betroffenen ein entsprechendes Dokument verfasst.

Unzulänglichkeit von Patientenverfügungen

Dass mehr vorhandene PV bei akuten Schlaganfällen für medizinische Entscheidungen hilfreich wären, wird allerdings von einer US-amerikanischen Studie in Zweifel gezogen.[2] Die Untersuchung konfrontierte 6 in der Schlaganfallversorgung tätige Fachärzte mit 28 State-of-the-art Behandlungsoptionen bei akutem Schlaganfall. Die Befragten mussten entscheiden, welche dieser Optionen sie bei 28 Patienten, die ihnen über die Krankengeschichten vorgestellt wurden, durchführen würden und welche nicht. Dabei wurde der Hälfte der Ärzte bei der ersten Befragung die vorhandene PV zur Kenntnis gebracht, der anderen Hälfte nicht. Nach einem Monat wurden dieselben Ärzte mit denselben Krankengeschichten konfrontiert, allerdings hatte nun die andere Hälfte der Befragten Kenntnis von der PV. Fazit: Ob eine PV vorhanden war, machte keinen signifikanten Unterschied dahingehend, welche Behandlungsoptionen empfohlen worden waren. Zusätzlich erhielten 2 Rechtsanwälte die PV und sollten beurteilen, wie aus-sagekräftig die Dokumente in Hinblick auf die Einschätzung eines Schlagan-falls, der damit verbundenen Behandlungsoptionen und der möglichen Out-come-Szenarien waren. Die Rechtsanwälte hielten 14 bzw. 21 von 28 PV für inadäquat. Wie wichtig es wäre, eine PV kontextspezifisch und klar zu for-mulieren, zeigte sich bei jenen PV, die von den Rechtsanwälten als aussage-kräftig bewertet wurden: Diese PV machten einen signifikanten Unterschied in Hinblick auf etliche Behandlungsoptionen (z.B. PEG-Sonde bei anhalten-der Dysphagie).

Qualität von PV

Die US-amerikanische Studie sollte nicht dahingehend gelesen werden, dass PV (bei Schlaganfall) per se nutzlos wären.[3] Vielmehr zeigt sich, wie wichtig eine gute ärztliche Aufklärung für die Vorsorgeplanung insgesamt und die Errichtung von PV im Besonderen ist.[4] Nicht gänzlich unberechtigt sehen Angehörige von Schlaganfallpatienten es als Versäumnis der ärztlichen Aufklärung an, wenn vor einer geplanten Intervention mit erhöhtem Schlaganfallrisiko der Patient nicht zumindest auf die Option einer PV hingewiesen wird.[1] Das Argument, wonach sich gesunde Menschen schwer tun müssen, eine sinnvolle PV zu errichten, lässt sich jedenfalls in jenen Fällen entkräften, wo Menschen erkennbar einer gesundheitlichen Risi-kogruppe angehören. Diesen Personen kann bei einer adäquaten Einschät-zung der Folgeschäden eines Schlaganfalls sowie des Nutzen-Schadens-Profils von einschlägigen medizinischen Behandlungen geholfen werden, so-dass sie aussagekräftige PV errichten können.

Die nicht restlos auflösbare Schwierigkeit, den Patientenwillen bloß anhand eines schriftlichen Dokuments zu bestimmen, lässt sich weiter entschärfen: durch Gespräche mit nahestehenden Personen, um den Kontext der PV zu klären und Vorstellungen von einem gelungenen Leben und Sterben des Be-troffenen kennenzulernen (eine Möglichkeit, die in der US-amerikanischen Studie nicht inkludiert war). Rechtlich kann ein solches Vertrauensverhältnis in der Errichtung einer Vorsorgevollmacht münden.

Referenzen

[1] Pfadenhauer K, Kellner G. Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht bei Patienten mit erhöhtem Schlaganfallrisiko: Erfahrungen in einer neurovaskulären Ambulanz. Z Palliativmed 2013;14(4):180-184.

[2] Qureshi AI et al. Impact of advanced healthcare directives on treatment decisions by physicians in patients with acute stroke. Crit Care Med 2013;41(6):1468-1475.

[3] Suarez JI. Are advance directives useful in acute stroke? [Editorial]. Crit Care Med 2013;41(6):1581-1582.

[4] in der Schmitten J, Marckmann G. Sackgasse Patientenverfügung: Neue Wege in mit Advance Care Planning am Beispiel von bezeiten begleiten®. Z med Ethik 2013;59(3):229-243. ∙ Kletecka-Pulker M, Aigner G. Patientenverfügung und Selbstbestimmung: Leitfaden für Ärztinnen und Ärzte zur Erstellung und Anwendung einer Patientenverfügung. Wien: Bundesministerium für Gesundheit; 2009.