Grundbegriffe: Gut


Tägliche Urteile

Wir verwenden alltäglich den Begriff „gut“ und drücken damit ein Urteil, eine Bewertung aus: die Pflegekraft hat die Wunde gut versorgt; regelmäßige Bewegung ist gut für Menschen mit hohem Blutdruck; es ist gut, mit einer in der Demenz verstummten Person zu sprechen. In solchen Aussagen drückt sich die ethische Komplexität des Begriffs „gut“ aus, denn ethisch betrachtet werden mit dem Urteil „gut“ hier drei unterschiedliche Bewertungen getätigt. Ähnlich verhält es sich mit dem Substantiv „Gut“: für eine Operation wird ein Sachgut wie z.B. steriles OP-Besteck benötigt; die Gesundheit stellt für viele Menschen ein hohes Gut dar; Menschen streben nach dem Guten im Leben.

Drei Ebenen von „gut“

Der ethische Grundbegriff „gut“ kann in drei aufeinander aufbauenden Bedeutungsebenen verwendet werden:[1] (1.) Fachlich gut: Hierbei wird etwas in Hinblick auf seine Tauglichkeit für etwas (beliebig) anderes beurteilt. Wenn in diesem Sinn eine Wundversorgung gut durchgeführt wurde, dann bedeutet es, dass sie den fachlichen Standards entspricht. Mit dieser Ebene des Guten sind persönliche Haltungen verbunden, die für eine Vielzahl an unterschiedlichen Zwecken hilfreich sind, z.B. Konzentration, Pünktlichkeit, Ordnungsliebe, Fleiß. Solche Haltungen sind nicht in sich selbst wertvoll, sondern nur funktional. (2.) Pragmatisch gut: Auf der zweiten Bedeutungsebene wird beurteilt, ob etwas für eine Person gut ist. In diesem Sinn kann regelmäßige Bewegung gut sein, weil sie dazu beiträgt, die Gesundheit eines Hypertonikers zu erhalten. Auch auf dieser Ebene handelt es sich um ein extrinsisches „gut“, d.h. die Bewegung ist kein Selbstzweck. (3.) Kategorisch gut: Schließlich kann etwas um seiner selbst willen gut sein. Dass man mit einer schwer demenzkranken Person spricht, hat in erster Linie keinen instrumentellen oder pragmatischen Wert, sondern ist Ausdruck des unbedingten Gutseins. Auch wenn der Demenzkranke kein Wort erwidern kann, ist es geboten, ihn z.B. vor der Durchführung von Pflegehandlungen anzusprechen. Bei dieser letzten Bedeutungsebene von „gut“ spricht man vom moralisch Guten.

Die Schattenseite

Wenn wir etwas negativ beurteilen, dann verwenden wir mehrere Begriffe, die den Unterschied zwischen den drei Ebenen deutlicher machen als der positive Begriff „gut“: Bei einer fachlich nicht guten Handlung sprechen wir meist von „falsch“ (z.B. falsch durchgeführte Wartung eines Medizingeräts). Beurteilen wir irgendetwas für eine Person als nicht gut, dann verwenden wir häufig ebendiesen Ausdruck („nicht gut für dich…“). Wollen wir hingegen eine Handlung als moralisch nicht gut kennzeichnen, so steht uns hierfür das Urteil „böse“ zur Verfügung: Böse handelt, wer das moralisch unbedingt Geforderte bewusst nicht erfüllt.

Gutes tun und es gut tun

Vor diesem Hintergrund ist das Motto der Barmherzigen Brüder Österreich – „Gutes tun und es gut tun“[2] – ethisch besser zu verstehen. „Gutes tun“ zielt im Kern auf die dritte Bedeutungsebene von „gut“ ab: Die Sorge um kranke, behinderte und anders bedürftige Menschen ist nicht bloß ein instrumenteller Wert; sie dient z.B. nicht nur der Erhaltung oder Wiederherstellung von Arbeitskraft. Das moralisch Gute zeigt sich gerade dort, wo Menschen mit chronischer Krankheit, infauster Prognose oder bleibender Behinderung konfrontiert sind. Natürlich zielt „Gutes tun“ in vielen Fällen primär auf das pragmatisch Gute, d.h. auf eine funktional ausgerichtete Krankenbehandlung oder anderweitige Fürsorge.

Der Nachsatz „und es gut tun“ kann wiederum auf alle drei Bedeutungsebenen bezogen werden: In jedem Fall drückt sich darin das Urteil aus, dass die medizinische, pflegerische, therapeutische oder pädagogische Betreuung den fachlichen Anforderungen genügen muss (fachlich gut). Man kann den Anspruch aber weitergehend verstehen: Dann beurteilt er, inwieweit man durch die fachlich gute Versorgung den Bedürfnissen der Patienten auch wirklich gerecht wird (pragmatisch gut). In manchen Fällen, z.B. bei infaustem Krebs, wird das „gut für Frau X“ mehr bedeuten als eine fachlich gut durchgeführte Tumorresektion oder Chemotherapie. Und schließlich ließe sich noch fragen, ob der Nachsatz „und es gut tun“ auch auf die moralische Bedeutungsebene abzielt. Dies würde nämlich erfordern, dass die fachlich und pragmatisch gute Betreuung von Menschen in Krankheit, Behinderung oder Alter aus einer moralischen, d.h. unbedingten, Motivation heraus erfolgt. In der modernen ethischen Reflexion zum Professionalismus von Gesundheitsberufen wird hierbei zu Recht kritisch hinterfragt, inwieweit eine solche moralische Forderung im Beruf überhaupt einzulösen ist.

Referenzen

[1] Höffe O. Ethik: Eine Einführung. München: Beck; 2013.

[2] Barmherzige Brüder Österreich. Gutes tun und es gut tun. http://www.barmherzige-brueder.at/site/karriereausbildung/home