Corporate Identity
Ein beträchtlicher Teil der Sozial- und Gesundheitsversorgung in Österreich und Deutschland erfolgt durch Einrichtungen in katholischer Trägerschaft. In einer Zeit des religiös-weltanschaulichen Pluralismus stellt sich die Frage, wie das Identitätsmerkmal „katholisch“ zu verstehen ist.[1] Diese Frage wird angesichts mehrerer Entwicklungen wichtig: Für die Öffentlichkeit sind katholische Gesundheitseinrichtungen zumeist Teil eines öffentlichen, damit pluralistischen Systems; zunehmend kooperieren oder fusionieren sie mit nicht-katholischen Einrichtungen. In den katholischen Gesundheitseinrichtungen arbeiten Menschen mit verschiedenen Weltanschauungen und religiösen Bekenntnissen. Wie für jede andere Organisation ist es für katholische Gesundheitseinrichtungen allerdings ein berechtigtes Anliegen, eine bestimmte, nämlich katholische, Organisationsidentität (Corporate Identity) zu bewahren.
Strukturen statt Persönlichkeiten
Ein Ansatzpunkt, um an der Corporate Identity zu arbeiten, ist die Entwicklung von Management- und Aufsichtsstrukturen, welche die Verantwortung für die Organisationsidentität institutionell verankern. Im Unterschied zu einer bloß personal ausgerichteten Verantwortung, bei der bestimmte Individuen die Corporate Identity erhalten und vermitteln sollen, setzt der institutionelle Ansatz auf Rollen und geregelte Interaktionen zwischen Aufsichtsrat, Vorstand, Führungskräften und anderen Stakeholdern. In diesem Sinn sind etwa die Mayo Clinic (mehrere Standorte in den USA) und das franziskanische St. Marys Hospital (Rochester, Minnesota) bereits 1883 eine Kooperation eingegangen, die seitdem und bis heute institutionell weiterentwickelt wurde.1 Dabei dient ein Sponsorship Board dazu, die katholische Identität des St. Marys Hospital im Konzern der Mayo Clinic sicherzustellen. – Die Australische Ordensprovinz der Barmherzigen Brüder hat wiederum einen anderen, vielfach erprobten, institutionellen Weg eingeschlagen und die Rolle der Directors of Mission etabliert, die Teil des Top Managements sind und damit bei strategischen Unternehmensentscheidungen organisationsethische und werteorientierte Aspekte der Corporate Identity einbringen.[2] – Wie aber lässt sich feststellen, worin das Katholische der Organisationsidentität besteht und wie weit diese Identität gelebt wird?
Catholic Identity Matrix
Das Veritas Institute der University of St. Thomas (Minnesota) hat ein Instrument entwickelt, welches auf Basis des Malcom Baldrige Performance Excellence Systems eine systematische Bestandsaufnahme der Organisationsidentität in Hinblick auf sechs Aspekte, die für eine katholische Sozial- und Gesundheitseinrichtung zentral sind, erlaubt:[3] (1.) Solidarität mit Menschen in Armut, (2.) Ganzheitliche Sorge, (3.) Respekt vor dem menschlichen Leben, (4.) Partizipation an der Dienstgemeinschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit gegenseitigem Respekt, (5.) Verantwortungsbewusstes Management (stewardship), (6.) Handeln in der Gemeinschaft mit der Kirche. Das Assessment dieser Aspekte läuft folgendermaßen ab:1 (a) Beantwortung handlungsorientierter Fragen zum Auftrag, zur Strategie und zu wichtigen operativen Prozessen; (b) Stärkung der Aspekte bei Führungskräften durch Reportingstrukturen, Performance Management und Vergütungssysteme; (c) Etablierung transparenter Prozesse, welche die Aspekte im Arbeitsalltag verwirklichen; (d) Sicherstellung, dass die Mitarbeiter Wissen, Fertigkeiten und Möglichkeiten haben, um diese Prozesse durchzuführen. – Die Catholic Identity Matrix wird derzeit in Deutschland durch den Caritasverband Paderborn und beneCurans (Sozialinstitut Kommende Dortmund) für den deutschen Kontext adaptiert.[4]
Herkunft als Zukunft
Das Thema der Organisationsidentität beschäftigt letztlich alle etablierten Unternehmen, unabhängig von ihrer religiös-weltanschaulichen Ausrichtung. Zahlreiche Publikationen belegen, dass katholische Sozial- und Gesundheitseinrichtungen davon besonders betroffen sind, da sie nach außen und innen in einem pluralistischen Kontext agieren.[5] Andererseits haben katholische Organisationen bereits früh begonnen, sich mit dieser Problematik auseinanderzusetzen und dabei teils professionelle institutionelle Ansätze entwickelt. Ein innerkatholischer, theologischer Blick zeigt, dass mit der Herkunft des Christentums immer die Aufgabe verbunden war, die eigene Identität so zu verstehen, dass sie in einer pluralistischen Gesellschaft Zukunft hat. Dies erfordert einen umsichtigen Weg, der zwischen den Extremen des Nur-nichts-verändern und zeitgeistiger Beliebigkeit hindurchführt.
Referenzen
[1] Swetz KM, Crowley ME, Maines TD. What makes a Catholic hospital “Catholic” in an age of religious-secular collaboration? The Case of the Saint Marys Hospital and the Mayo Clinic. HEC Forum 2013;25(2):95–107.
[2] St. John of God Health Care. A welcoming openness to all: Annual report 2011/12. West Perth, WA; 2012.
[3] Veritas Institute. About the Catholic Identity Matrix (CIM). Minneapolis, MN: University of St. Thomas Opus College of Business; http://www.stthomas.edu/business/centers/veritas/assessments/cim.html (28.9.2013).
[4] Erzbistum Paderborn. Projekt German-CIM. http://www.german-cim.de/ (28.9.2013).
[5] Stempsey WE. Institutional identity and Roman Catholic hospitals. Christ Bioeth 2001;7(1):3–14.