Haltungen des Gesundheitspersonals zur Organspende-Regelung


Österreich

Mit 22,6 Organspendern pro Million Einwohner (2012) liegt Österreich europaweit im oberen Feld (zum Vergleich: Spanien 36,0; Deutschland 12,5; Schweiz 12,0).[1] Das Transplantationswesen lebt von dem guten Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren. Dazu zählen die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Organisation der Transplantation und – nicht zuletzt – der Umgang des Gesundheitspersonals mit (potenziellen) Organspendern und deren Angehörigen (Hinterbliebenen).

Höhere Akzeptanz in katholischen Ordensspitälern

Eine aktuelle Studie untersuchte die Haltungen von Intensivpflegepersonal zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der postmortalen Organspende in Österreich.[2] Dabei wurde das LKH Graz (Medizinische Universität Graz) mit mehreren katholischen Ordensspitälern verglichen. Hierbei zeigte sich, dass das Intensivpflegepersonal am Uniklinikum gegenüber der geltenden Widerspruchslösung (d.h. man ist nach seinem Tod grundsätzlich Organspender, wenn man nicht zu Lebzeiten explizit widersprochen hat) zur postmortalen Organspende ablehnender eingestellt war als das Personal in den Ordenskrankenhäusern.

 

Die Studienautoren leiteten daraus zwei mögliche Erklärungen ab: Zum einen könnte es sein, dass die explizit positive Einstellung der Katholischen Kirche gegenüber der postmortalen Organspende dazu führt, dass in katholischen Ordensspitälern die Akzeptanz dafür relativ hoch ist. Ein direkter Zusammenhang mit der persönlichen Religiosität der Befragten konnte jedoch nicht abgeleitet werden, da dieses Merkmal nicht abgefragt wurde. Zum anderen könnte die höhere Akzeptanz für die Widerspruchslösung zur postmortalen Organspende in Ordensspitälern daher rühren, dass diese im Vergleich zum Uniklinikum mit der Transplantation praktisch kaum konfrontiert sind. Klinikpersonal, das regelmäßig in Organtransplantationen involviert ist, könnte – so eine These – aufgrund des emotional und organisatorisch hohen Anspruchs sowie den damit sicherlich auch verbundenen schwierigen Gesprächssituationen eher dazu neigen, die Transplantation auf Basis der Widerspruchslösung kritischer zu sehen als Personal, welches nicht oder kaum diesen Situationen ausgesetzt ist.

Höhere Akzeptanz bei Vorwissen

Die Akzeptanz gegenüber der gesetzlichen Widerspruchslösung nahm zu, wenn die Befragten über die rechtlichen Rahmenbedingungen bereits vor der Befragung Bescheid wussten. Daraus könnte man ableiten, dass eine offenere und systematischere Kommunikation über diese Rahmenbedingungen mit dem Krankenhauspersonal die Haltung gegenüber der Organtransplantation verbessern würde.

Deutschland

Das Transplantationswesen befindet sich in Deutschland in einer veritablen Krise. Aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Zuteilung von gespendeten Organen in mehreren Kliniken sank die Akzeptanz für die postmortale Organspende trotz der in Deutschland geltenden Zustimmungsregelung (d.h. man muss zu Lebzeiten explizit deklarieren, dass man posthum Organe spenden möchte). Darüber hinaus herrscht in Deutschland im Vergleich zu Österreich seit langer Zeit ein fundamentalethischer Konflikt darüber, ob das Hirntodkriterium (welches in Deutschland das einzig anerkannte Todeskriterium für eine Organspende ist) ausreichend medizinisch und philosophisch begründet ist (vgl. dazu auch Newsletter 2014/1:7).

 

Eine Befragung von 1.045 Personen des intensivmedizinischen Fachpersonals (Ärzte, Pflegekräfte, Physiotherapie) zur postmortalen Organspende zeigt, dass die Skepsis auch bei Angehörigen der Gesundheitsberufe weit verbreitet ist.[3] Zwar befürworteten 81% der Befragten die eigene Organspende nach Hirntod; allerdings besaßen nur 45,3% einen Organspendeausweis (d.h. deklarierten die notwendige Zustimmung zur Entnahme). Ein ethisch noch fragwürdigerer Widerspruch ist darin zu sehen, dass zwar 46% der Befragten angaben, bei medizinischer Notwendigkeit ein Spendeorgan annehmen zu wollen, sich hiervon aber 16% der Befragten gleichzeitig gegen eine postmortale Spende ihrer eigenen Organe ausgesprochen hatten.

Gründe für die Skepsis

Als Hauptgründe für die Skepsis gegenüber der postmortalen Organspende gaben die Befragten Folgendes an: (a) fehlende Akzeptanz des Hirntodkriteriums; (b) Angst vor Missbrauch durch Organhandel; (c) fehlende Unversehrtheit des eigenen Körpers nach dem Tod. Die Frage, ob auch in Deutschland neben dem Hirntodkriterium der Herztod als Kriterium für die postmortale Organspende gelten sollte (wie es in Österreich der Fall ist), bejahten 29% und verneinten 34% (20% waren unentschlossen; 17% machten keine Angaben).

Referenzen

[1] ÖBIG-Transplant. Transplant-Jahresbericht 2013. Wien: Gesundheit Österreich GmbH; 2014.

[2] Zettel G et al. What ICU nurses in different Austrian hospitals know and think about the Austrian organ donation law. BMC Med Ethics. 2014(15):46.

[3] Söffker G et al. Einstellung des intensivmedizinischen Fachpersonals zur postmortalen Organspende in Deutschland. Med Klin Intensivmed Notfallmed. 2014;109(1):41–7.